Inhalt der CENOF-Forschungsprojekte
Die CENOF Forschungsstudie möchte die Herausforderung annehmen, einen grundständigen empirischen wie theoretischen Rahmen zur Erforschung der Vaterschaft auf der Basis von sechs verschiedenen Forschungsprojekten zu entwickeln:
Projekt I.
Allgemeine Grundlagen der Vaterschaft: Reproduktive Eigenschaften und motivationale Zusammenhänge
Ulrike Ehlert, Zürich/Schweiz
Projekt II.
Einschränkende Bedingungen der Vaterschaft: Konsequenzen aus der Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Petra L. Klumb, Freiburg/Schweiz
Projekt III.
Stiefväter: Väterliches Investment im Dienst der Partnerschaft
Harald A. Euler, Kassel/Deutschland
Projekt IV.
Vaterschaft zwischen Investment und Verweigerung: Broken-home Erfahrungen und väterliche Kompetenz
Katja Nowacki, Dortmund/Deutschland
Projekt V.
Lieselotte Ahnert, Wien/Österreich
Projekt VI.
Julius Kuhl, Osnabrück/Deutschland
Projekt I
Projekt I wird mit N=3000 Männer per Online-Umfrage quantitativ am flächendeckendsten vorgehen. Ziel der Befragung ist es, die psychologischen Kosten der Vaterschaft mit Hilfe von soziologischen und psychologischen Charakteristiken übergreifend zu untersuchen, die später von allen Projekten der CENOF Studie aufgegriffen werden. Von speziellem Interesse bei Projekt I wird jedoch die nachfolgende Untersuchung von ausgewählten Teilstichproben (n=500) sein, die psychobiologische Parameter der Reproduktion und deren motivationale Korrelate erfasst. Hierbei werden die Lebensbedingungen, Motive und Reproduktionsvoraussetzungen von Männern untersucht, die überzeugte/nicht überzeugte Väter oder kinderlose sind. Die Idee ist dabei, die aufgefundenen Zusammenhänge mit den Ergebnissen der anderen Projekte der CENOF Forschungsstudie zu verknüpften, um die Ergebnisse von Projekt I durch weiterführende Untersuchungen vertiefen zu können.
Projekt II
Projekt II behandelt die Frage, inwieweit es einem Vater (überzeugt oder nicht) überhaupt möglich ist, anhand seiner Lebensumstände und seines beruflichen Engagements in die Vaterschaft zu investieren. Dabei wird im Detail gefragt, inwieweit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von der jeweiligen beruflichen Position eines Vaters abhängt, wobei verschiedene soziale und psychologische Charakteristiken kontrolliert werden müssen, durch die die Väter porträtiert werden. Gefragt wird allerdings auch, welche Faktoren mit den Berufsanforderungen zusammenhängen und wie sie die Bewältigung der väterlichen Vereinbarungsprobleme unterstützen oder beeinträchtigen, beziehungsweise wie ausgeprägt die Familienbedingungen und die Partnerschaftskonstellationen zu einer guten Vater-Kind Beziehung als Maßstab für Vaterschaftsqualität beitragen.
Projekt III
Während Projekt II die Lebensbedingungen für Männer untersucht, die gewillt sind, Vaterschaft auszuüben, aber bis zu einem gewissen Grad durch Berufsanforderungen behindert werden, konzentriert sich Projekt III auf archaische Investmentstrategien und hinterfragt die Motive der Vaterschaft aus einer evolutionärer Perspektive. Das menschliche evolutionäre Erbe scheint Hinweise darauf zu geben, dass Männer (im Unterschied zu Frauen) in Nachwuchs investieren können, aber nicht müssen. Dieser relativen Freiwilligkeit nähert sich Projekt III durch die Untersuchung von Stiefvätern. Neben sozialen und persönlichen Faktoren, die das väterliche Investitionen bestimmen, wird infolgedessen untersucht, wie sich Stiefväter mit und ohne einem gemeinsamen biologischen Kind in der Art und Dauer ihres väterliche Investments, in ihrer Beziehungsqualität gegenüber den Kindern, die mit ihnen leben, wie auch in Bezug auf ihre Reproduktionsparameter (wie bspw. sexueller Orientierung, Wertigkeit der Partnerschaft und Testosteron-Spiegel) unterscheiden. Es wurde bislang angenommen, dass Stiefvaterschaft (nicht Adoptiv- oder Pflegevaterschaft) ein Risiko-Potential für Familiendynamik und Kindesentwicklung enthält. Projekt III versucht deshalb, sowohl empirische Beweise für diese Annahmen zu erbringen, als auch praktische Ratschläge für rechtliche Entscheidungen wie auch Interventionen für Familien in Problemsituationen (angesichts der steigenden Scheidungszahlen) abzuleiten.
Projekt IV
Projekt IV versucht dezidiert das Investment von Vätern zu untersuchen und wählt dafür Väter aus, die aus zerrütteten Familienverhältnissen stammen und zumeist selbst in Wohlfahrtseinrichtungen aufwuchsen. Wollen diese Väter Vaterschaft gestalten oder geben sie auf? Wenn ja, wie sieht die Qualität der Vaterschaft bei solchen Risikogruppen aus? Neben praxisbezogenen Empfehlungen für das Wohlfahrtssystem wird Projekt IV auch in der Lage sein, einen Beitrag zu einem äußerst kontrovers geführtem theoretischen Thema zu liefern, das die Übertragung der Beziehungserfahrungen aus der eigenen Kindheit auf die Beziehung zu den eigenen Kindern behandelt.
Projekt V
Im Projekt V steht die Tatsache im Mittelpunkt, dass Kinder für die täglichen Herausforderungen und ihre Erziehungsbedingungen aufgrund unterschiedlicher genetischer Ausstattungen auch unterschiedlich empfänglich sind. Gefragt wird deshalb, in welcher Weise eine väterliche Fürsorge und die Beziehungsqualität zum Kind dabei unterstützen können, das Kinder bereits sehr früh optimale Strategien entwickeln, um mit Herausforderungen und Stress umgehen zu können sowie ihre Emotionen intern zu regulieren lernen. Dieses Thema ist insbesondere für vulnerable Kinder wie Frühgeborene von spezieller Bedeutung, die einerseits als besonders stressempfindlich gelten, bei denen jedoch andererseits auch das väterliche Investment als ungewöhnlich intensiv eingeschätzt wird. Projekt V zielt daher darauf ab, diejenigen Mechanismen der kindlichen Stressverarbeitung zu identifizieren, die vom Vater ausgehen und dem Kind helfen, die nachteiligen Auswirkungen mangelhafter Stressbewältigung zu mildern. Die zu erwartenden Forschungsergebnisse könnten Interventionsprogramme unterstützen, bei denen väterliche Erziehungsstrategien in Ergänzung zu den mütterlichen einbezogen werden müssen. Sie könnten jedoch auch generell bei der Bereitstellung gesunder Lebensbedingungen für (ehemalige) Frühgeborene nützlich sein und die Beratung von familiären wie außerfamiliären Betreuungsbedingungen, aber auch die Bedingungen in Schulen und anderswo betreffen.
Projekt VI
Projekt VI will den generellen Einfluss von Vätern auf die kindliche Willensentwicklung und Emotionsregulation mit der Frage untersuchen, inwieweit die Fähigkeit zur emotionalen Regulierung zu einer selbst-bestimmten Persönlichkeit vor dem Schuleintritt beiträgt. Konkret geht es dabei um die Art und Weise, mit der die zeitlichen Investitionen eines Vaters und seine Beziehungsqualität zum Kind mit der kindlichen Emotionsregulation und der Selbstmotivation (insbesondere in Leistungssituationen) im Zusammenhang steht, und darum, ob es hierbei Zusammenhänge zu den väterlichen Reproduktionsvoraussetzungen (wie bspw. sexueller Orientierung, Wertigkeit der Partnerschaft und Testosteron-Spiegel) gibt. Nach unserer Kenntnis wurde diese Frage bislang noch nicht behandelt. Es ist lediglich bekannt, dass sich Väter in das Leben ihrer Vorschulkindern höchst genderspezifisch einbringen; allerdings stellt sich die Beweislage hier auch äußerst widersprüchlich dar. Projekt VI will Licht in diese Debatte bringen und damit gleichzeitig praxisbezogen helfen, dass Interventionen für Familien angemessen konzipiert werden. Zu wissen, welches väterliche Verhalten entscheidend für die Herausbildung der kindlichen Fähigkeit zur Emotionsregulation ist, wird die Effizienz von Familienberatungen maßgeblich verbessern. Darüber hinaus wird der Bezug von emotionsregulatorischen Fähigkeiten auf vorschulische Lern- und Leistungsprozesse politische Initiativen rechtfertigen, die Väter in ihrem Entwicklungsbeitrag zielgerichtet unterstützen wollen.
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